Der vorletzte Spieltag der Münchner Mannschaftsmeisterschaft 2023/24 war für unsere erste Mannschaft des SC Kirchseeon entscheidend, fast schon wie ein kleines Finale: Am Freitag den 12. April mussten wir im Abstiegskampf auswärts beim direkten Konkurrenten FC Bayern München 9 antreten, die sich zu diesem Zeitpunkt mit zwei Punkten auf dem letzten Tabellenplatz befanden (eine für den großen FCB auch beim Schach recht ungewohnte Position). Kirchseeon 1 stand zwar vor der 8. Runde in der Tabelle drei Plätze weiter oben, hatte aber bis dato auch nur vier Mannschaftspunkte geholt und konnte deshalb von den Bayern in den verbleibenden zwei Spielen noch eingeholt werden. Und weil uns am letzten Spieltag mit Markt Schwaben noch der Tabellenzweite und Aufstiegskandidat bevorstand, mussten wir im Falle einer Niederlage in Giesing mit dem Schlimmsten rechnen. Somit war klar, dass wir nur mit einem Sieg das Abstiegsgespenst vertreiben konnten. Zum Glück hatten wir diesmal an Brett 1 unseren Top-Spieler Philipp Biedenkopf mit im Boot, der eine Woche zuvor in Passau die niederbayrische Einzelmeisterschaft 2024 mit einer großmeisterlichen Leistung von 6 Siegen aus 6 Partien gewonnen hatte. Die weiteren Bretter besetzten in dieser Reihenfolge Herbert Niedergesäß, Christian Langer, Franz Obpacher, Horst Höntschke, Bernhard Bettinger und Suresh Kalyanasundaram, so dass wir auch an den hinteren Brettern gut aufgestellt waren.
Im sehr geräumigen Bayern-Spiellokal im Anton-Fingerle-Zentrum fanden an diesem Abend noch drei weitere Mannschaftskämpfe von anderen Teams des FC Bayern statt, die praktisch in allen Münchner Ligen vertreten sind. Wir waren allerdings mit unseren eigenen Partien mehr als genug beschäftigt und hatten dort zunächst alle Hände voll zu tun, denn die Gegner spielten keineswegs wie ein Absteiger, sondern leisteten energischen Widerstand.
Zwar ging Kirchseeon 1 durch schöne Gewinnpartien von Suresh und Christian mit 2:0 zeitig in Führung, doch an den übrigen Brettern war der Spielausgang lange offen. Herbert und Franz standen mit den schwarzen Steinen beide stark unter Druck und holten mit höchster Konzentration noch ein Remis, doch das hätte auch schief gehen können. Herbert musste sich bei geschlossenem Zentrum gegen einen Angriff am Königsflügel verteidigen und konnte lediglich durch Dame und Turm auf der f-Linie mit Gegenspiel drohen, aber mehr war nicht drin. Währenddessen stand Franz am Rand einer Niederlage und kämpfte sich durch beidseitige Bauernumwandlungen in ein schwieriges Damenendspiel, bei dem der Gegner einen Mehrbauern hatte und durch Schachgebote den Damenabtausch zu erzwingen drohte. Franz konnte dies jedoch vermeiden und seinerseits durch Dauerschach das Unentschieden sicherstellen. Diese beiden halben Punkte waren letztlich entscheidend für den Mannschaftssieg, denn nun konnten Philipp und Bernhard ihre Überlegenheit in aller Ruhe ausspielen und ihre Gegner nach zäher Gegenwehr niederringen.
Große Erleichterung, endlich einmal konnten wir in Gedanken die Sektkorken knallen lassen (echte sind natürlich im Spiellokal strikt verboten!). Ungeachtet des bereits feststehenden Mannschaftssieges kämpfte Horst noch weiter und stemmte sich in einem Leichtfigurenendspiel gegen die drohende Niederlage. Das Spiel war zwar dann fürs Gesamtergebnis bedeutungslos, aber in schachtaktischer Hinsicht sehr interessant: Die Gegnerin hätte durch schnelles Vorrücken ihrer Freibauern in das elementare Endspiel „König, Läufer und Springer gegen König“ abwickeln können, vermied dieses jedoch, weil der Gewinn dort nur mit genauer Kenntnis innerhalb des 50-Züge-Limits zu erreichen ist. Stattdessen wählte sie den scheinbar „einfacheren“ Weg, durch Abdrängen von Horsts Leichtfiguren die Bauernumwandlung zu erzwingen, der aber rechenintensiver war und viel Bedenkzeit kostete. Horst gab schließlich auf, weil seine Niederlage positionell nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, von der aber auf der gegnerischen Uhr nicht mehr viel übrig war… Wie auch immer, jedenfalls zeigte sich hier, dass es wichtig ist, elementare Endspiele zu „automatisieren“ (genau wie es Thomas Beckers bei uns immer gelehrt und Franz Obpacher mit Erfolg praktiziert hat). Denn wenn diese Stellungen in der Turnierpraxis vorkommen, ist eigentlich immer – wen wundert‘s -der Druck groß und die Zeit knapp.
Kirchseeon 1 hielt durch diesen Sieg den FC Bayern 9 auf Distanz und kletterte in der Tabelle vorübergehend auf Platz 6. Der Klassenerhalt war damit so gut wie gesichert, da wir auf den zweiten Abstiegsplatz, der von der Schachunion München 2 als Vorletzter belegt wurde, nun 2 Mannschaftspunkte und 6,5 Brettpunkte Vorsprung hatten – eine bei nur noch einer Runde mit 7 Brettern realistischerweise wohl nur durch kampflose 0:7- Spiele noch einholbare Distanz .